29. März 2018

'Sein Gelübde: Ein Eifel-Thriller' von Sabine Giesen

Kindle Edition | Tolino
In der Eifelregion versetzt seit den 1970er Jahren eine Mordserie die Menschen in Angst. Die Opfer sind alte und junge Frauen und Männer. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Was haben die Toten gemeinsam?

Vier junge Menschen lernten sich damals kennen. Aus ihnen wurden zwei Familien. Doch jemand hat sich geschworen, leidenden Menschen zu helfen. Dieses Gelübde gilt bis heute …


Leseprobe:
Er liebte die Nachtschicht an der Tankstelle. Sein erster Job. Er verdiente nicht viel, aber es reichte für ein möbliertes Zimmer. Eine Zwischenstation auf dem Weg zur Verwirklichung seiner Vorstellungen.
Die Tankstelle lag in Nähe der Autobahn und so fanden sich auch nachts immer wieder Fahrzeuge ein, deren Fahrer nicht nur Benzin benötigten, sondern oft auch etwas trinken und essen wollten. Dennoch war es eine ruhige Arbeit. Sonst hätte er sich nicht so intensiv um die Mutter mit ihrem weinenden Baby kümmern können.
Der Duft ihres Parfüms stieg wieder in seiner Erinnerung auf. Ein holziger Duft. Aufdringlich.
Ganz anders das Baby. Ihm haftete ein sauberer, unschuldiger Geruch an. Es war noch unberührt von der Welt. Kannte weder Gutes noch Böses, weder Wahrheit noch Lüge. Es hatte nur sich und seine kleine Welt. Hunger, Durst, Müdigkeit bestimmten den Tagesablauf. Das Baby bewertete nichts. Es lernte mit jedem Atemzug, erforschte und erkundete seine Welt, die jeden Tag ein Stückchen wuchs – so wie es selbst. Unschuldiges Kind.
Schuldige Mutter. Vergaß, ihrem Kind Essen mitzunehmen.
Der Duft ihres Parfüms verursachte ihm Brechreiz.
Sie drückte das vor Hunger weinende Baby an ihre Brust und schaukelte es sanft, während sie beruhigend auf das Kind einredete.
»Gleich, mein Schatz. Psst …«
Sie küsste das Kind auf die Stirn und sah ihn hilfesuchend an. »Haben Sie etwas zu essen?«
Er blickte sich um, überlegte. Er konnte Reisenden ein Würstchen warm machen oder ein Butterbrot zubereiten. Nicht das Richtige für ein Baby. Er ging mit den beiden zu den Regalen, die vor der Kasse aufgestellt waren. Hauptsächlich fanden sich Autoartikel wie Scheibenwischerblätter, Glühkerzen, Batterien und Ähnliches, aber auch einige wenige Lebensmittel.
Außer Zwieback fanden sie nichts für das Kind. Im fiel ein, dass er eine Banane in seiner Butterbrotbox hatte, und bot sie der Frau an. Sie lächelte ihn an. »Danke. Das ist sehr freundlich von Ihnen.«
Hinter der Kassentheke befand sich ein kleiner Aufenthaltsraum, in den er die Frau führte. Das Zimmer war spärlich eingerichtet. Ein kleiner Tisch, Stühle, eine Anrichte mit einer Kochplatte und einem Wasserkocher für die Zubereitung von Kaffee. In der Anrichte befand sich etwas Geschirr und Besteck, das von überall zusammengetragen worden war. Im Schrank fand sich noch ein Rest Milch, den er in einem Kochtopf aufwärmte.
Die Frau setzte sich auf einen der Stühle und wiegte das schreiende Kind in ihren Armen.
Aus der aufgewärmten Milch, einem darin aufgeweichten Zwieback und der bräunlich gefleckten Banane bereitete er mit einer Gabel auf einem tiefen Teller einen Brei zu und reichte der Frau das Essen.
Sie lächelte ihn an, nahm den angebotenen Löffel und er berührte dabei ihre Hand. Blitze schossen durch seinen Körper.
Fühlen. Ein leichter Schweißfilm bedeckte die glatte und kühle Haut ihrer Hand. Seine Nackenhärchen stellten sich auf und ein Schauer lief seinen Rücken hinab.
Riechen. Ihr Parfüm schien sich in dem geheizten Zimmer zu intensivieren. Tief einatmend, nahm er den holzigen Geruch in sich auf. Sie gab dem Kind einen Löffel des Breis. Der Geruch der überreifen Banane berührte seine Geruchsnerven.
Hören. Sein Herzschlag. Das leise Schmatzen des Kindes, das Eintauchen des Löffels in den Brei.
Für wenige Sekunden schien der Raum zusammenzuschrumpfen und die drei Menschen in ein Vakuum zu hüllen.
Er war wieder klein. Spürte tief in sich einen glühenden Feuerball, der durch seinen Körper floss und ihn verbrannte. Hörte eine Stimme, die auf ihn einschrie, hell und schrill, spürte eine kalte Hand auf seinem Nacken und spitze Knochen an seinen Beinen. Sah ein Gesicht, so nah. Er suchte nach einem Lächeln. Wärme.
Sie drückte den Löffel mit dem lauwarmen Brei an seine geschlossenen Lippen. Doch er presste die Lippen fester zusammen, wollte nicht essen. Stieß ihre Hand unbeholfen weg.
Sie hatte damit nicht gerechnet und ließ den Löffel fallen. Er landete auf dem Dielenboden und der Brei verteilte sich darauf.
Ihre Hand griff fester zu. Ihr Körper spannte sich an. Sie fasste ihn unter den Achseln, stand auf, hob ihn hoch, schüttelt ihn heftig. Brüllte ihn an.
Der Feuerball hatte ihn komplett erfasst. Kalte Asche war alles, was von ihm blieb. Und von ihr.
Der Raum nahm wieder Gestalt an.
Die Mutter hatte das Kind gefüttert. Jetzt hatte sie es mit dem Kopf an ihre Schulter gelehnt im Arm und klopfte leicht auf dessen Rücken. Nachdem das Kind aufgestoßen hatte, stand sie auf und wollte das Geschirr zur Spüle tragen.
Er hinderte sie daran. Sie sah ihm in die Augen. Erst lächelnd, dann erstarrte ihr Gesicht. Sie fühlte es. Seine innere Kälte, die seinen Körper beherrschte.
Er spürte die Angst, die Gestalt in ihr annahm. Sah ihr Begreifen, dass sie sich in Gefahr befand.
Ihr Blick huschte kurz zu ihrem Kind. Sie drückte das Baby fester an sich. Nahm ihren Mut zusammen, schüttelte leicht ihren Kopf, als ob sie damit ihre Ahnung hätte abschütteln können, und wollte an ihm vorbei den Pausenraum verlassen.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Ihre Stimme zitterte leicht. »Ich muss jetzt weiter.«
Er rührte sich nicht, blieb vor der angelehnten Tür stehen und griff mit seiner linken Hand hinter sich, packte den Türgriff und zog die Tür zu.
»Bleiben Sie noch«, lächelte er sie an.

Im Kindle-Shop: Sein Gelübde: Ein Eifel-Thriller (Krimi 45).
Für Tolino: Buch bei Thalia
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