5. September 2017

'Kysano: Geheimnisse und Illusionen' von Beatrice Hiu

Außergewöhnliche Fantasy in einer magischen Welt voller Illusionen.

- Ein Artefakt, das nicht gefunden werden soll
- Eine Prophezeiung, die den Untergang oder die Rettung bringt
- Ein Mädchen, das nicht ist, wofür es gehalten wird
- Freundschaften, die allen Widrigkeiten trotzen
- Bündnisse, die tödlich enden können

Leeza und Jizahan sind durch das Portal in die Illusion der Erdmagier gelangt, um dort nach dem Erdschlüssel zu suchen. Da die Prophezeiung nur spärliche Details preisgibt, begegnen ihnen auf ihrem Weg schier unüberwindbare Hindernisse und tödliche Gefahren. Nach vielen Täuschungen, Rätseln und Kämpfen erreichen die beiden Mädchen endlich den Ort, an dem der Schlüssel vor hunderten von Jahren verborgen wurde, und wähnen sich am Ziel ihrer Mission, nur um festzustellen, dass schon wieder nicht alles so ist, wie es scheint. In der Schule der Lichtmagier werden währenddessen Feinde ausgeschaltet, geheime Pläne verfolgt und Allianzen gebildet.

Band 2 der Kysano-Reihe.

Gleich lesen: Kysano: Geheimnisse und Illusionen

Leseprobe:
Leeza starrte entsetzt auf die Stelle, wo eben noch das Portal gewesen war, durch welches sie und ihre Freundin Jizahan aus der Welt Kysano hierhergekommen waren. Da sie bereits einmal durch ein solches Weltentor gegangen war, als sie mit Syvenia, der Freundin ihrer Mutter, nach Kysano gekommen war, wusste sie sofort, dass hier etwas nicht stimmte. Sobald sie nämlich in der Illusion der Erdmagier angekommen waren, gab es sie nicht einfach frei, sondern schleuderte sie mit einem Knall regelrecht hinaus. Dann gab es eine gewaltige Explosion und das Portal zerbarst in tausend Stücke.
Sie rappelte sich benommen auf und fragte, ohne ihren Blick von der Zerstörung abzuwenden: „Bist du in Ordnung, Jizahan?“
„Ja schon, aber irgendwie habe ich mir das etwas anders vorgestellt. Ich meine, der Anfang war ja noch okay mit dem farbigen Kreis, der sich über einen senkt, und dann die seltsamen Stimmen, die man hört, während sich der Kreis dreht. Auch das Gefühl des Fallens war an sich in Ordnung. Aber ich hätte doch erwartet, dass der Sturz am Schluss abgebremst und man nicht mit voller Wucht hinauskatapultiert wird“, beschwerte sich Jizahan und klopfte sich den Schmutz von den Kleidern.
Leeza antwortete nicht, sondern starrte unverwandt auf die Stelle, wo das Portal sich hätte schließen sollen. Dort waren statt einem allmählich verschwindenden schimmernden Bogen nur einzelne Farbfragmente zu sehen, die zu Boden rieselten und sich nach und nach auflösten.
„Was ist denn los?“, fragte Jizahan, alarmiert durch Leezas seltsames Verhalten.
Leeza schüttelte bestürzt den Kopf. „Das war eben nicht normal. Üblicherweise landet man sanft auf dem Boden, und der Kreis gibt einen dann frei. Es dürfte weder einen Knall geben, noch sollte man hinausgeschleudert werden. Außerdem müsste sich das Portal, wenn es geschlossen wird, fließend auflösen und nicht explodieren.“
Jizahan sah Leeza mit ihren großen smaragdgrünen Augen erschrocken an. „Was denkst du, was passiert ist?“
„Ich weiß es nicht, aber ich befürchte, es war nichts Gutes. Jedenfalls würde ich sagen, das Portal wurde soeben demoliert.“
„Aber geht das denn überhaupt? Ich meine, kann das einfach so zerstört werden?“
„Ich denke schon. Vermutlich braucht es dazu einfach die richtige Art von Magie.“
„Aber wer würde so etwas tun und wieso?“
„Da bin ich überfragt. Vielleicht wurde Kymetos angegriffen, als er das Portal schließen wollte, und es explodierte aus diesem Grund. Falls es tatsächlich so war, hoffe ich, dass wenigstens er in Ordnung ist.“
„Das ist er bestimmt“, erwidert Jizahan zunächst beruhigend, stutzte kurz und fragte dann mit leichter Panik in der Stimme: „Aber laut Lestre war dies unser einziger Weg zurück. Ohne das Portal kommen wie nie mehr von hier weg. Was sollen wir denn jetzt nur tun?“
Leeza fuhr sich nachdenklich durch ihr blondbraunes Haar. „Ich habe keine Ahnung, aber da wir nichts zur Lösung des Problems beitragen können, sollten wir uns auf unsere Aufgabe konzentrieren und darauf vertrauen, dass Lestre und Kymetos einen anderen Weg finden werden. Immerhin sind sie mächtige Lichtmagier.“
Leeza riss ihren Blick von der Stelle los, wo immer noch farbige Partikel zu Boden fielen und sah sich um.
Sie befanden sich auf einer kleinen Waldlichtung, die genauso aussah wie diejenige, auf der sie damals mit Syvenia in Kysano angekommen war, und sie fragte sich unwillkürlich, ob wohl alle Portale auf solche Lichtungen führten.
Jizahan atmete tief durch, sah sich dann ebenfalls um und sagte: „Na gut, du hast ja recht, Panik hilft uns jetzt gar nichts. Hast du eine Ahnung, wo wir sind?“
Leeza zuckte ratlos mit den Schultern. „Wir sind irgendwo in der Illusion der Erdmagier, aber wo, weiß ich auch nicht. Ich fürchte, wir müssen einfach auf gut Glück losgehen.“
„Dann lass uns von hier verschwinden. Ich habe das Gefühl, wir sollten mit unserem Aufbruch nicht zu lange warten.“
Leeza nickte und suchte mit den Augen den Rand der Lichtung ab, in der Hoffnung, irgendwo einen versteckten Weg zu entdecken. Zuerst sah sie nichts, aber dann fand ihr Blick etwas, das wie ein schmaler Pfad aussah. Sie stieß Jizahan in die Seite und wies in die Richtung. „Schau mal. Ich glaube, da können wir lang.“
Jizahan folgte mit dem Blick Leezas Finger. „Tatsächlich ein Weg. Der ist mir vorher überhaupt nicht aufgefallen.“
„Vermutlich ist er eben erst aufgetaucht und er könnte genauso schnell wieder verschwinden. Also sollten wir uns beeilen“, erwiderte Leeza, schob ihren Rucksack zurecht und ging entschlossen voraus.
Sobald sie den Pfad betreten hatten, schloss sich die Öffnung, und die Lichtung, auf der sie angekommen waren, war nicht mehr zu sehen. Als sie die Bewegung der Bäume hinter sich hörte, blickte Jizahan sich erstaunt um. Sie kannte dieses Prinzip zwar vom Garten der Schule der Lichtmagier, aber dass es auch hier so war, verblüffte sie jetzt doch. Als sie wieder nach vorn sah, bemerkte sie, Leeza war schon ein ganzes Stück vor ihr. Anscheinend war das alles nicht neu für sie.
Jizahan schüttelte verwirrt die kupferroten Locken, beeilte sich sie einzuholen, und fragte dann: „Sag mal, findest du das alles nicht seltsam?“
„Was meinst du denn? Die Sache mit dem zerstörten Portal oder die mit dem sich schließenden Durchgang?“
„Ach, ich weiß nicht, eigentlich beides.“
„Nun, die Sache mit dem Portal beschäftigt mich schon, aber was immer da geschehen ist, wir können nichts daran ändern, und die plötzlich auftauchenden und verschwindenden Durchgänge und Pfade kennen wir vom Garten in unserer Schule.“
Jizahan blieb abrupt stehen und hielt Leeza am Arm fest. „Moment mal, du bist früher schon durch so ein Tor gegangen, nicht wahr?“
Leeza sah Jizahan entschuldigend an. „Ja, das bin ich. Es tut mir leid, dass ich dir das nicht eher sagen konnte. Ich werde es dir später erklären, aber jetzt müssen wir wirklich weg von hier.“
Jizahan ließ Leezas Arm zögernd los. „Du erklärst es mir aber wirklich, oder?“
„Ganz bestimmt. Vertrau mir.“ Leeza drückte kurz Jizahans Hand und lächelte sie beruhigend an. Die Freundin wirkte ernst und die sonst so fröhlich wirkenden Sommersprossen um ihre Nase waren blasser als üblich.
Weiterhin folgten die Mädchen dem Pfad, der sich vor ihnen durch den Wald schlängelte. Leeza fragte sich, ob sie ihm wohl wirklich trauen konnten. Als sie damals mit Syvenia von ihrem früheren Zuhause durch das Portal der Welten nach Kysano gekommen war, war alles ganz anders gewesen. Erstens war das Portal nicht in tausend Stücke zerborsten, stattdessen hatte Syvenia es geschlossen, und zweitens war da kein Pfad gewesen. Die Lichtmagierin hatte sie bloß quer durch den Wald geführt, ohne einem Weg zu folgen.
Sie erinnerte sich daran, dass Syvenia etwas von dunklen und hellen Wäldern gesagt hatte. Damals hatte sie nicht verstanden, was damit gemeint war, und hatte die Frage auf einer ihrer imaginären Listen notiert. Nun bedauerte Leeza, vor ihrem Aufbruch nicht danach gefragt zu haben, aber es war alles so schnell gegangen und ganz andere Dinge waren im Vordergrund gestanden. Sie hoffte, dass die Beantwortung dieser Frage hier nicht wichtig war, denn immerhin waren sie nicht in Kysano, sondern in einer Illusion, die von den Erdmagiern vor sehr vielen Jahren erschaffen worden war, um den Erdschlüssel zu schützen. Und jetzt waren sie und Jizahan hier, um genau den Schlüssel zu finden, weil eine uralte Prophezeiung ausgerechnet sie beide für diesen Job ausgesucht hatte. Zwei unerfahrene Jungmagierinnen von siebzehn Jahren waren gemäß dieser Prophezeiung anscheinend mehr geeignet, ihn zu entdecken, als mächtige Lichtmagier wie Kymetos oder Lestre, der Großmagier. Obwohl sie die Dinge, die geschehen waren, seit sie nach Kysano gekommen war, nicht verstand, hatte sie sich bereit erklärt, die Bestimmung anzunehmen, damit Kysano nicht zerstört wurde. Allerdings fragte sie sich jetzt, ob die Entscheidung richtig gewesen war. Sie selbst konnte ja nicht einmal Magie anwenden, weil ihre Mutter Lyzea ihre magischen Fähigkeiten blockiert hatte, und es Lestre nicht gelungen war, die Blockade vor ihrem Aufbruch aufzulösen. Was, wenn Jizahans Magie nicht ausreichte, um die Aufgabe zu lösen? Nein, so etwas durfte sie nicht denken. Jizahan war eine gelehrige Jungmagierin, sicher würden ihre Fähigkeiten reichen.
Wie es wohl außerhalb dieses Waldes aussah? War es eine Kopie von Kysano mit Blumenwiesen, schönen Wäldern und Bergen oder etwas völlig anderes? In Kysano gab es prachtvolle magische Pflanzen und bestimmt auch viele Tiere. Sie hatte zwar außer Vögeln und Insekten noch nicht viel von der Tierwelt in Kysano mitbekommen, aber wenn sie an die Wunschbienen dachte, war sie sich sicher, dass dort noch viele andere magischen Tiere lebten. Was gab es hier wohl an Flora und Fauna? Bis jetzt hatte sie noch keine Anzeichen von anderen Lebewesen gesehen, aber irgendwelche würde es wohl geben. Vielleicht lebten hier irgendwo sogar Menschen, die ihnen helfen konnten. Leeza dachte an die Illusion, in welcher sie jahrelang mit ihrer Mutter gelebt hatte, bevor Syvenia sie nach Kysano geholt hatte, konnte sich aber keine Einzelheiten mehr ins Gedächtnis rufen. Sie fragte sich, ob die Erinnerung daran irgendwann zurückkommen würde. Kymetos hatte gesagt, dass der Verlust davon damit zusammenhing, dass die Illusion sich nach und nach auflöste, nachdem sie sie verlassen hatte, und dies sprach leider eher dagegen.
Wo ihre Mutter jetzt wohl war? Sie hatte damals gesagt, sie habe etwas Wichtiges zu erledigen und könne deshalb nicht mit ihr nach Kysano kommen. Was sie wohl damit gemeint hatte? Weder Kymetos noch Lestre hatten darauf eine Antwort für Leeza gehabt. Sie dachte an die Nacht in Kysano, als ihr ihre Mutter erschienen war, um ihr einen Ratschlag zu geben. Immerhin schien es ihr soweit gut zu gehen und das war im Moment das Einzige, woran sie sich festhalten konnte.
Sie war dermaßen in ihre Gedanken vertieft, dass sie die Kreuzung erst bemerkte, als Jizahan sie anstupste und ziemlich ratlos fragte: „Wo geht es denn nun weiter?“
Leeza betrachtete die beiden Pfade, von denen der eine nach Nordwesten, der andere nach Nordosten führte, und war genauso ratlos wie Jizahan. Sie schalt sich eine Närrin. Während sie vorhin dem Pfad gefolgt waren, hätte sie besser darüber nachgedacht, wie sie hier handeln sollten, anstatt über Dinge, die sie sowieso nicht ändern konnte.

Im Kindle-Shop: Kysano: Geheimnisse und Illusionen

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