17. Juli 2017

'Tödliche Tabus' von Siegfried Langer

Bist du mutig? Mutig genug, dich in ein Leben hineinzuversetzen, das dir fremd und bizarr erscheint? Ein Leben, so viel anders als dein eigenes? Ein Leben jenseits deiner Vorstellungskraft?

'Tödliche Tabus' ist ein Thriller, der im Hier und Heute spielt, mitten in Deutschland. Und dennoch führt er dich in eine parallele Gesellschaft. In eine Gesellschaft der Obsession, der Sucht und des Verlangens. Und doch auch in eine Gemeinschaft voller Vertrauen, Hingabe und Liebe.

'Leben und leben lassen', so lautet hier die Devise. Aber wehe dem, der an den Falschen gerät, denn es geht jemand um, der Leben nimmt.

Ist Björns Bruder Ole diesem Jemand ins Netz gegangen? Seit Wochen hat sich Ole nicht mehr bei Björn gemeldet, sein Briefkasten wurde seit Tagen nicht geleert, die Lebensmittel im Kühlschrank sind verschimmelt. Björn durchstöbert Briefe, Notizen, Visitenkarten. Hilfreich wären die E-Mails seines Bruders; doch wie lautet das Passwort des Accounts? Als er es endlich herausfindet, erfährt er Dinge aus dem Leben seines Bruders, die er nie für möglich gehalten hätte ...

Gleich lesen: Tödliche Tabus: Thriller

Leseprobe:
„Ich möchte, dass du heute nach Feierabend zu mir nach Hause kommst. Es ist wichtig, Björn. Ich mache mir große Sorgen um deinen Bruder: Ich befürchte das Schlimmste!“
Die Dringlichkeit in der Stimme seiner Mutter ließ Björn keine Wahl.
Sie klang so verzweifelt wie damals, als sie ihm verkündet hatte, dass man ihr das zweite Bein ebenfalls abnehmen musste.
Und so machte sich Björn auf den Weg und stand nun vor ihrem Haus in der Lübecker Innenstadt, fuhr sich mit der Hand durch sein allmählich lichter werdendes schwarzes Haar und klingelte. Es verging keine Sekunde, bis das ihm bekannte Summen des Türöffners ertönte. Sie musste die Fernbedienung dazu bereits in den Händen gehalten haben, hatte also schon gewartet - kein gutes Zeichen.
Björn wunderte sich. Was war so dringend, dass sie ihn mit solcher Vehemenz herbeizitierte? Vor allem, da er doch erst gestern bei ihr zu Besuch gewesen war.
„Ich bin im Wohnzimmer“, hörte Björn ihre tiefe Stimme, während er die Haustür hinter sich ins Schloss fallen ließ.
Er schlüpfte aus seiner dunkelblauen Cordjacke, hängte sie an die Garderobe und ging durch den Flur, an der Küche vorbei, in den rückwärtigen Wohnbereich. Seine Mutter saß da, in ihrem Rollstuhl, die Hände im Schoß. Nur für eine Sekunde sah sie ihm in die Augen, dann wanderte ihr Blick wieder zurück auf einen imaginären Punkt vor ihr auf dem Teppich. Ihre dunkelbraun getönten Haare - ansonsten sehr gepflegt frisiert – hatten heute weder Kamm noch Bürste berührt. Björn schritt zu ihr, beugte sich zu ihr hinab und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Setz dich!“
Björn nahm Platz auf dem gemütlichen, altmodischen Sofa, das seine Mutter ihr Eigen nannte, solange er sich zurückerinnern konnte – und er war jetzt achtunddreißig Jahre alt. Erst vor wenigen Wochen hatte es einen neuen dunkelblauen Bezug erhalten, die überdimensionierten Kissen ebenso.
Hier, an diesem Wohnzimmertisch hatten sie gemeinsam Mutters neunundsechzigsten Geburtstag gefeiert, keine vierundzwanzig Stunden waren seitdem vergangen. Björn, seine Schwester Marga und deren drei Kinder. Die Vier waren schon da gewesen, hatten Kuchen gegessen und Kaffee getrunken, als er gegen halb fünf eingetroffen war. Seine Zahnarztpraxis hatte Björn gestern wegen des Geburtstags vorzeitig verlassen. Margas Mann fehlte, wie immer. Mutter mochte ihn nicht; hauptsächlich deswegen, weil er eine Zigarette nach der anderen rauchte. Es erinnerte sie zu sehr daran, dass sie viel zu lange dem gleichen Laster gefrönt hatte. In einem langen, schleichenden Prozess hatte sie dafür ihre Beine eingetauscht. Marga umging den Konflikt und ließ ihren Mann einfach zu Hause. Ein bewährtes Arrangement. Dennoch schien die Situation äußerst angespannt. Ole war die Ursache dafür, Björns vier Jahre jüngerer Bruder.
Das Telefon stand direkt neben Mutters Kuchenteller und jedes Mal, wenn es klingelte, unterbrach Mutter sich mitten im Satz, schluckte schnell hinunter oder ließ die Gabel auf den Teller plumpsen. Und jedes Mal, wenn sie sich mit ihrem Namen meldete, zeichnete sich auf ihren eben noch hoffnungsfrohen Gesichtszügen nach wenigen Sekunden Enttäuschung ab. Ihre Schwester, ihre zwei Brüder, Cousinen, Cousins, ihre alte Tante Hildegard aus Stade, Nachbarn, ehemalige Patienten des Marien-Krankenhauses: Mutter würgte sie alle ab, nahm die Geburtstagsglückwünsche entgegen und beendete die Gespräche, so schnell es die Höflichkeit erlaubte. Nur, um danach erneut auf den nächsten Anruf zu warten, während Marga erzählte, wie es den Kindern in der Schule erging, welche Blumen in ihrem Garten gerade blühten oder welche Liebeleien und Kleinkriege sich draußen in ihrem Dorf abspielten. Mutter hörte nur mit halbem Ohr zu, starrte immer wieder auf das Telefon. Doch der sehnsüchtig erwartete Anruf blieb aus. Als Björn gegen acht als Letzter der Gäste ihr Haus verlassen hatte, war die Stimmung des Geburtstagskindes auf dem Nullpunkt angekommen.
Wie gestern auch, stand die Kaffeekanne auf dem Tisch. Das reichhaltige Angebot einer liebevoll eingedeckten Kaffeetafel hatte sich in eine einzelne Tasse, einen Kuchenteller und eine Platte mit einer überschaubaren Anzahl Kuchenstücke verwandelt, die Reste von gestern.
„Du hast sicher Hunger“, sagte Mutter. „Vom Eierlikörkuchen ist ja zum Glück was übrig geblieben. Den magst du doch so gerne.“
„Neue Kalorien“, sagte Björn und strich sich sein Hemd glatt.
‚Wenn man erstmal über die dreißig ist, darf man auch langsam etwas Bauch bekommen’, pflegte seine Mutter in solchen Situationen regelmäßig zu erwähnen; heute nicht.
„Schenk dir etwas Kaffee ein!“
„Und du?“
„Ich habe den ganzen Tag über Kaffee in mich hineingeschüttet. Für heute lasse ich es besser gut sein. Ist gesünder.“
Sie streckte ihre Hand aus, und Björn bemerkte, dass sie stark zitterte.
„Ja, besser, wenn ich mir selbst einschenke.“
„Ich habe heute deinen Vater angerufen.“
Björn verschluckte sich. Seine Eltern hatten nicht mehr miteinander gesprochen, seit – ja, seit sein Vater ihr damals verkündet hatte, dass er sie verlassen würde. Es war exakt an dem Tag gewesen, als seine Mutter das erste Mal ohne Beine aufgewacht war. Nachdem man sie aus dem Marien-Krankenhaus entlassen hatte, war er aus der gemeinsamen Wohnung bereits verschwunden gewesen, aus ihrem Leben ebenso. Björn und seine Geschwister hatten ihrer Mutter eine kleinere Wohnung besorgt; gelegen in einem malerischen Lübecker Stadthaus, mit ebenerdigem Eingang, sodass sie auf niemanden angewiesen war, wenn sie raus oder rein wollte, in ihrem neuen Rollstuhl.
„Du hast was?“
„Ich habe heute deinen Vater angerufen!“
Acht Jahre waren vergangen seit der Trennung. Acht Jahre, in denen Björns Vater immer wieder versucht hatte, Kontakt aufzunehmen. Er wollte sich zumindest erklären. Doch Mutter war hart geblieben. Und ihre Kinder hatten Verständnis dafür gezeigt, vollstes Verständnis.
„Wie … wie geht es ihm?“
„Danach habe ich nicht gefragt.“

Im Kindle-Shop: Tödliche Tabus: Thriller

Mehr über und von Siegfried Langer auf seiner Website.



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