7. Juni 2017

'Doppelspiel' von D.W. Crusius

November 1982 – mit Juri Wladimirowitsch Andropow steht ein Mann an der Spitze der Sowjetunion, der an Gefühlskälte alles in den Schatten stellt, was nach Stalin kam. Die Staaten des Warschauer Paktes rüsten auf und aus dem Kalten Krieg droht ein heißer zu werden.

Windige Geschäftsleute haben frühzeitig erkannt, dass man nicht am Frieden, sondern am Kalten Krieg verdient. Einer von ihnen ist Arne Peters, der mit seinen Helfershelfern aus Ost und West die Sowjetunion und die DDR mit allem beliefert, was nach der Cocom-Liste verboten ist.

Die Stasi machte Arne Peters ein lukratives Angebot. Er soll etwas beschaffen, das sogar ihm als eiskaltem Profiteur des Kalten Krieges zu heiß ist – ein von den Truppen des Warschauer Paktes heiß begehrtes Feuerleitsystem der Bundeswehr. Als wäre das noch nicht Problem genug, kommt ihm eine attraktive Stasi-Agentin in die Quere.

Gleich lesen: Doppelspiel: Thriller

Leseprobe:
Es war ein heißer Sonntag im August. Gleißend blauer Himmel wölbte sich über Berlin. Vorwiegend Westdeutsche hatten am Bahnhof Zoo den Bus bestiegen, nur vereinzelt hörte man englische und französische Sprachfetzen. Trotz der hochsommerlichen Temperaturen trugen viele Ausflügler Trachtenjacken aus dickem Wollstoff und Tirolerhüte mit bunten Federn und Gamsbart. Besucher aus Bayern, ihre Mundart war unverkennbar. Nach ihren Gesprächen zu urteilen waren es Ehepaare, Freunde, Menschen, die sich kannten, Nachbarn vielleicht. Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe.
Zu Beginn der Fahrt erklang noch Gelächter, laute Unterhaltung. Der Ausflug hinter den Eisernen Vorhang war ein Abenteuer, eine Safari in ein exotisches Land. Dann tauchten am Straßenrand Warnschilder auf, auf denen von Schießbefehl und Demarkationslinie die Rede war und sie verstummten. Mit respektvollen, man könnte fast sagen furchtsamen Gesichtern betrachteten sie die mattgrünen Militärfahrzeuge und die lässig in den Sitzen lümmelnden amerikanischen Soldaten. Die GIs, junge Kerle noch, trugen ihre Stahlhelme markig in die Stirn gezogen oder balancierten sie auf den Läufen ihrer Gewehre, als wollten sie die Touristen beeindrucken.
In der ersten Reihe hinter dem Fahrer saß ein offenbar allein reisender Mann; um die fünfzig mochte er sein. Sein heller Regenmantel und der tief in die Stirn gezogene cremefarbene Panama passten nicht zum heißen Wetter. Dazu hatte er den Mantelkragen hochgeschlagen. Sein kurzer schwarzer Bart war stark von grauen Strähnen durchzogen. Kein Drei-Tage-Bart, eher ein Drei-Wochen-Bart, nicht der Mode entsprechend. Nach Aussehen und Kleidung war er nicht der typisch sonntägliche Ausflügler nach Ostberlin.
Neben dem Fahrer stand der Reiseleiter. In breitem Berlinerisch gab er ein paar heitere Sprüche zur Auflockerung der Stimmung zum besten. Er hatte nur mäßigen Erfolg. Sichtlich enttäuscht schaltete er das Mikrofon wieder stumm und unterhielt sich flüsternd mit dem Fahrer.
Dann wandte er sich erneut an die Reisenden.
»Liebe Gäste, in wenigen Minuten erreichen wir die Grenze und ich muss Sie bedauerlicherweise verlassen. Eine Kollegin aus der DDR wird Sie betreuen.«
Aufgesetzt fröhlich grinste er in die Runde. »Keine Sorge, heute am späten Nachmittag liefert man Sie wohlbehalten an der Grenze nach Westberlin wieder ab, dann sehen wir uns wieder.«
Er flüsterte mit dem Fahrer und ergänzte: »Ein Fahrer aus dem Osten wird Sie durch die Zone kutschieren.«
Checkpoint Charly kam in Sicht. Rechts und links von der schmalen Durchfahrt in den Ostteil der Stadt sah man glatte Betonmauern, auf der Mauerkrone dicke Rollen Stacheldraht. Vorne links war ein Wachturm. An einem Mast wehte in der drückenden Hitze müde die amerikanische Flagge. In der Mitte der Fahrbahn stand die hellgrau gestrichene Kontrollbaracke, an der Front hing ein Schild mit der Aufschrift:
ALLIED CHECKPOINT CHARLY.
Daneben waren die amerikanischen, französischen und britischen Farben abgebildet. Wenige Meter vom Übergang entfernt hing an hölzernen Pfosten ein Schild. Darauf stand in englischer, russischer und französischer Sprache: Sie verlassen den amerikanischen Sektor.
Die deutsche Übersetzung darunter war nicht einmal in halb so großen Buchstaben geschrieben. Unten rechts las man wie eine Unterschrift: US ARMY.
Berlin und die Mauer waren Zentrum des Kalten Krieges. Trotzdem spielte Deutschland eine Statistenrolle in der Weltpolitik und hier am Grenzübergang stach es besonders aufdringlich ins Auge. Gehässige Zungen nannten die Westberliner und die westdeutsche Bevölkerung Kanonenfutter, sollten sich jemals die 22 Divisionen der Roten Armee in Marsch setzen. Es war kein Geheimnis, dass die erste ernsthafte Verteidigungslinie der Rhein war. Berlin und den größten Teil Westdeutschlands sollte die NATO im Fall eines militärischen Konfliktes weitgehend kampflos den sowjetischen Panzerverbänden überlassen.
Quer über die Straße verlief eine weiße Markierung – die Demarkationslinie. Dicht an der Linie neben der Baracke standen amerikanische Soldaten und Westberliner Polizei. Links befand sich das Büro der Amerikaner und dort stand eine Kaffeemaschine, denn eben kam ein Mann mit einem Tablett und dampfenden Tassen heraus und ging zur Kontrollbaracke. Neben dem Büro bis dicht an die weiße Linie waren Sandsäcke gestapelt. Im Fall eines Schusswechsels mit den Grenzsoldaten der DDR sollten sie Deckung bieten.

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Mehr über und von D.W. Crusius auf seiner Website.

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