7. März 2017

'Ndrangheta: Frauen in den Krallen der kalabrischen Mafia' von Daggi Geiselmann

Ein Schicksalsroman mit Realitätsbezug. Hautnah miterlebt, weil die Autorin jeden Tag mit ähnlichen Situationen konfrontiert wird.

Greta heiratet den gefährlichen ´Ndrangheta-Paten Don Mario Comercio, zuerst macht sie sich über seine Verbrechen keine Gedanken, aber dann erkennt sie, in welche Rolle sie ihren Sohn drängt und will ausbrechen. Dramatische Ereignisse stehen ihr bevor.

Ndrangehta, Cosa Nostra, Camorra, Sacra Crona, amerikanische Mafia sind Organisationen, die nicht lange fackeln und man sollte sich davon fern halten. Die Geschichte ist frei erfunden aber könnte sich durchaus so zugetragen haben.

Gleich lesen: 'Ndrangheta: Frauen in den Krallen der kalabrischen Mafia

Leseprobe:
Blauer Himmel, fünfunddreißig Grad. Greta war mit den Eltern und ihrer älteren Schwester auf den Feldern. Tomaten mussten geerntet und gleich zu Konserven für den Winter verarbeitet werden. Eine anstrengende Arbeit und bei dieser August-Hitze fast unerträglich.
„Ich mach das nicht mehr lange mit. Ich bin keine Sklavin und werde mir mit Pietro ein schöneres Leben aufbauen“, flüsterte Chiara.
„Wie recht du hast. Ich will das auch! Du hast es gut, dass du bald heiraten kannst“, antwortete Greta und schaute ängstlich um sich, ob ihr Vater sie hörte.
Signora Arcardi hatte mittlerweile die erste Kiste mit Tomaten gefüllt und wies Chiara an, die Wasserbehälter zu füllen. Sie wischte sich den Schweiß auf der Stirn mit der Schürze ab und band ihr langes schwarzes Haar fester zum Pferdeschwanz zusammen. Mit ihren fünfundfünfzig Jahren war sie immer noch eine bildschöne Frau, allerdings vom harten Leben gezeichnet. Die beiden Töchter hatten ihre Schönheit geerbt. Greta war für ihre sechzehn Jahre gut entwickelt, und es war eine Augenweide, ihre langen, lockigen schwarzen Haare im Winde wehen zu sehen.
„Ist mir ein Rätsel, wie du die Hitze mit offenen Haaren erträgst!“, fauchte Signora Arcardi kopfschüttelnd. „Aber beeil dich, damit Greta gleich anfangen kann, die Tomaten zu waschen. Papa kommt dann, um sie zu schneiden und durch den Fleischwolf zu drücken!“
„Ich geh ja schon.“ Chiara machte sich mit zwei Fünf-Liter-Behältern auf den Weg zum Brunnen. Ihr treuer Schäferhund Theo folgte ihr auf jedem Schritt. Auch ihm machte die große Hitze zu schaffen, denn er war nicht mehr der Jüngste.
„Brav, Theo, brav. Wir beide verstehen uns. Pass mir gut auf Greta auf, wenn ich weg sein werde, hörst du?“ Chiara sprach mit ihrem Hund, als ob sie einen Menschen vor sich hätte. Schließlich kannten sie sich schon über zwölf Jahre. Als ihr Vater diesen Hund vom Schäfer Giuseppe geschenkt bekommen hatte, war sie acht gewesen.
Während Chiara fünfmal den Weg gehen musste, um die fünfzig Liter Wasser zur Hütte in den Bergen zu schleppen, die außerhalb des kleinen kalabrischen Dorfes Santo Stefano lag, füllten Greta und ihre Mutter fünf Kisten. Nach dem letzten Weg zum Brunnen ließ Chiara sich erschöpft ins Gras fallen.

„Ist ja gut, ist ja gut, die heutige Jugend ist zu nichts zu gebrauchen, verdammte Scheiße“, fluchte Chiaras Vater, als er sie auf dem Boden liegen sah.
„Auf, auf – keine Müdigkeit vortäuschen!“, rief ihr die Mutter zu, um die Worte ihres Mannes zu unterstützen, damit sein Ärger abkühlte.
Langsam erhob sich Chiara, drückte ihrem Vater einen Kuss auf die Stirn und machte sich wieder an die Arbeit. Sie benötigten Stunden, bis alle Tomaten in die hundertfünfzig Flaschen gefüllt waren. Zuvor wurde die Ernte gewaschen, in Stücke geschnitten und im Fleischwolf in Tomatensoße verwandelt. Danach kochten die verschlossenen Flaschen in einem großen, mit Wasser gefüllten Behälter auf einem offenen Feuer viele Stunden.
„Endlich, das wäre geschafft, der Wintervorrat an Tomatensoße ist gesichert“, stellte Signora Arcardi beruhigt fest, als ihr Mann am späten Abend das Feuer löschte.
Als sie sicher sein konnten, dass nichts mehr gloste, machten sie sich auf den langen Fußweg zurück ins Dorf. Die Flaschen mussten über Nacht im Wasser kalt werden.
Nach einer erfrischenden Dusche aßen sie nur noch schnell ein paar mit Salami belegte Brote, dazu gab es hausgemachten Rotwein für die Erwachsenen, Leitungswasser für Greta. Danach fielen alle todmüde in ihre Betten.

So oder so ähnlich gestalteten sich alle Tage für Greta und ihre Familie. Eine kleine erfreuliche Abwechslung war Chiaras Hochzeit, aber danach kam der traurige Abschied, als sie und Pietro nach Mailand zogen.
Ein weiteres schmerzliches Ereignis gab es ein paar Tage später, als Theo starb. Das war ein harter Schlag für alle. Doch Maestro Giuseppe, der Schäfer, und sein Sohn Marcello, ein Schulfreund von Greta, sorgten sofort für Nachschub. Jetzt hatte Greta wieder einen Hund, der ihr treu zur Seite stand, und auch sie redete mit ihm, wie es Chiara immer getan hatte.

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