13. Januar 2016

"Kuss der Todesfrucht" von Agnes M. Holdborg

Morgen ist das Heute schon wieder gestern, oder? Was ist, wenn Traum, Wirklichkeit, Erinnerung und Zukunft nicht mehr ihre geordneten Wege gehen?

Die Welt der Träume ist Manuela bekannt, flüchtet sie sich doch Nacht für Nacht dort hin. Doch die Schatten der Vergangenheit verfolgen sie überall, bis der geheimnisvolle Adol sie davon befreit. Er bringt sie in sein Reich, wo Zeit und Traum sich anders messen. Ihre Liebe scheint die verschiedenen Welten miteinander zu verbinden.

Allerdings lauert Gefahr, die den Schrecken aus Manuelas früherem Leben zurückbringt. Es ist an der Zeit, dass sie sich dem stellt.

Gleich lesen: Kuss der Todesfrucht



Leseprobe:
Wieder leuchteten die beiden großen Scheinwerfer in ihrem Rückspiegel auf. Außerdem vernahm sie deutlich eine Art schrammendes, schlurfendes Geräusch vorne links. Das kam ihr ja leider schon bekannt vor, aber wackelte da jetzt nicht auch etwas?
O Gott, o Gott! Ich hab‘s doch gewusst. Ich hätte das schon längst reparieren lassen sollen, verdammt!
Mit einer fahrigen Handbewegung beantwortete Manuela Kern die Lichthupe des LKW-Fahrers hinter sich und schaute noch einmal genauer in den Spiegel. Jetzt könnte der Kerl aber wirklich mit diesen Sperenzchen aufhören, meinte sie. Schließlich war sie ja nicht blind und hatte seine Lichtspiele durchaus bemerkt.
Vorsichtshalber drosselte sie noch einmal die Geschwindigkeit, aus Furcht, der linke Vorderreifen des klapprigen, in die Jahre gekommenen Golfs könnte eventuell den Geist aufgeben, und das, kurz bevor sie ihre Autobahnabfahrt erreicht hätte.
„Nein, nein, nein, komm schon, ja? Komm schon, das darf nicht passieren“, flüsterte sie fast wie ein Gebet vor sich hin. Dies war eine ihrer Methoden, mit denen sie seit geraumer Zeit versuchte, Lebenskrisen zu bewältigen. Sie sprach ihre Ziele immer wieder leise aus.
Dann erhob sie allerdings die Stimme: „Mann, dieser Hornochse hinter mir macht es mir mit seinem Getue aber auch nicht gerade leichter. Hätte ich den doch bloß nicht überholt. Jetzt hängt der mir auf der Pelle. Ach egal, aber der Reifen muss einfach durchhalten, wenigstens bis nach Hause oder besser noch bis zum Supermarkt. Ich brauche noch Brot und Milch, hhmm, ja, und Käse.“
Wieder ein Lichtsignal! Manuela wunderte sich, dass der LKW sie nicht einfach überholte. Schließlich fuhr sie mittlerweile auch für so einen Brummi viel zu langsam.
„Jaja, meine Güte, ich fahr ja gleich ab, du Idiot“, murmelte sie ungehalten vor sich hin und winkte ihrem Hintermann mit erhobener Hand zu, während sie gleichzeitig per Rückspiegel versuchte, so etwas wie Blickkontakt zu ihm aufzunehmen. Er sollte endlich Ruhe geben. Sie wusste auch so, dass das Vorderrad etwas eierte.
Als sie kurz vor der Abfahrt erleichtert aufseufzte, weil die Autobahn fast hinter ihr lag und sie außerdem den Quälgeist endlich loswerden würde, stellte sie beim Blinkersetzen mit einem weiteren Blick zurück missmutig fest, dass „Brummi“ den gleichen Weg einschlug wie sie.
Mist! Wo will der denn hin?
Immer wieder versuchte sie, Augenkontakt zu dem Fahrer aufzunehmen, konnte aber nur verschwommen wahrnehmen, wie der die Hand wie zum Gruße hob. Resigniert erwiderte Manuela den Gruß, nahm sich dann aber vor, ihn nicht weiter zu beachten. Schließlich hatte sie es nicht mehr weit bis zum Supermarkt, und spätestens dann fände die Verfolgungsjagd sicher ein Ende. Allerdings war sie fest davon überzeugt, der Fahrer hinter ihr müsste mit seinem LKW sowieso ganz woanders hin.
Doch weit gefehlt!
Das riesige Gefährt folgte ihr auch jetzt noch überall hin: durch das schmale geschäftige Sträßchen ihres kleinen Dorfes. Es schlängelte sich geschickt an den rechts parkenden Autos vorbei, fuhr hinter ihr über drei Kreuzungen. In den nächsten zwei reichlich eng bemessenen Kreisverkehren konnte Manuela sogar deutlich erkennen, wie immens groß dieses Fahrzeug tatsächlich war.
Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit. So schlimm war das mit dem Reifen ja auch wieder nicht, oder? Eigentlich hatte sie schon gedacht, sich dieses Schlackern nur eingebildet zu haben. Außerdem fuhr sie doch extra schön langsam, und nach dem Einkauf wollte sie den Wagen direkt in die benachbarte Werkstatt geben.
Und überhaupt, was geht das eigentlich diesen Troll an?, fragte sie sich allmählich reichlich verärgert.
Ohne Rücksicht auf den lädierten Vorderreifen gab sie Gas und brauste, ganz entgegen ihrer sonstigen Art, mit überhöhter Geschwindigkeit auf den Parkplatz des Supermarktes. Hierhin könnte ihr der Kerl mit seinem großen Vehikel nun wirklich nicht folgen, freute sie sich und beobachtete befriedigt, wie „Brummi“ am Parkplatz vorbei in Richtung Discounter rollte.
Ah!, ging ihr ein Licht auf, der beliefert ‚Aldi‘, ja dann! Zufälle gibt‘s, die gibt‘s gar nicht! Mit einem Kopfschütteln machte sich bereit für ihren kurzen Einkaufsabstecher.

Im Kindle-Shop: Kuss der Todesfrucht

Mehr über und von Agnes M. Holdborg auf ihrer Website.

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