4. März 2015

'LINNEN. Das Grabtuch Mysterium' von Norman Nekro

Sünden sollen vergeben werden ... aber kann das so weit gehen dass der Vatikan ausgerechnet einen Auftragskiller anheuert, das geraubte Turiner Grabtuch zurückzuholen?

Ein bis an die Zähne bewaffneter Kommandotrupp ist nachts in den Turiner Dom eingebrochen und mit dem weltberühmten Linnen unerkannt verschwunden. Der mit absoluter militärischer Präzision ausgeführte Überfall stellt nicht nur die Polizei vor ein unlösbares Rätsel. Auch der Vatikan setzt alles daran, das kostbare Artefakt wieder in den Besitz der Kirche zu bringen.

Der international tätige Berufskiller Hagen von Trondberg soll das von Millionen Gläubigen als wundertätig verehrte Tuch im – allerdings absolut inoffiziellen – Auftrag des Heiligen Stuhls aufspüren. Obwohl er keinerlei Unterstützung aus Rom bekommt, stößt der Undercover-Ermittler bald auf die Aktivitäten einer milliardenschweren Finanzierungsgesellschaft, hinter der die auch heute noch viele Schalthebel in Politik und Wirtschaft kontrollierenden Nachfolger der Tempelritter stecken.

Überraschende Angriffe einer ebenso fanatischen wie brutalen Kampfgruppe, die der offiziellen Kirche seltsamerweise näher zu stehen scheint als es die Blutspur hinter ihr vermuten lässt, wecken in dem Vatikanagenten nicht nur Zweifel an der Aufrichtigkeit seiner Auftraggeber. Denn noch bevor sich eine amerikanische Satanistensekte ebenfalls in die Jagd nach der vermeintlichen Reliquie einmischt, stellen ihn die ermittelten harten Fakten vor die alles entscheidende Frage: Ist das Turiner Linnen wirklich das echte Grabtuch Christi?

Ein Templer-Thriller ohne simple Schwarzweißmalerei: Einfach nur "Gut gegen Böse" war gestern!

Gleich lesen: LINNEN. Das Grabtuch Mysterium

Leseprobe:
Languedoc (Südfrankreich), im Jahre des Herrn 1307
»Wann ist das Werk vollbracht, Bruder Josquin?«
Der hochgewachsene Ritter mit dem grau melierten Vollbart läuft nervös in der dämmrigen Turmstube auf und ab. Sein weißer Ordensmantel, der ein auffälliges rotes Tatzenkreuz auf der Schulter trägt, wischt im Rhythmus der hastigen Schritte an den wuchtigen Tisch aus schwarzbraunem, durch jahrzehntelange Nutzung blankpoliertem Nussbaumholz.
Abwesend schweift der Blick des Ruhelosen über die mächtige Tischplatte, deren Ausmaße fast die Hälfte des engen kreisrunden Raumes einnehmen. Wie ein einsamer Leuchtturm inmitten der stürmischen See ragt darauf ein bronzener Kerzenständer aus einem wirren Sammelsurium verschiedenfarbig befüllter irdener Tintenfässchen und zerschlissener Schreibfedern in die Höhe. Ein gutes Dutzend zusammengebundener, aufgeschnürter und teilweise auch achtlos ausgebreiteter Pergamentrollen komplettiert, mit listigem Eigensinn im Luftzug des Mantelsaums sanft hin- und herwippend, das Chaos.
»Ich musste volle zehn Tage stramm reiten von Paris bis hierher«, fährt der Graubärtige mit wachsender Ungeduld fort. Seine Stimme, die offenkundig gewohnt ist, Befehle zu erteilen, hat sich merklich im Ton verschärft. Mit einer unwirschen Bewegung rückt er das vom Straßenstaub bepuderte weiße Barett zurecht, unter dem eine ungebändigte Flut lang herabwallender, ebenfalls grauer Haare hervorquillt.
»Wie gesagt, zehn lange Tage. Und das in meinem Alter!«, setzt der Ritter knurrend hinzu. »Unten im Hof bin ich eben vor Erschöpfung fast aus dem Sattel gekippt. Trotzdem habe ich mir nicht mal ein Glas Wein zur Erfrischung gegönnt, sondern Euch unverzüglich aufgesucht. Nun spannt mich nicht länger auf die Folter, Kaplan. Sagt mir, wie es um die Sache steht.«
Die auf den Karsthochebenen des Languedoc auch zum Herbstbeginn noch mit unverminderter Kraft vom Himmel brennende Nachmittagssonne zeichnet die Form des schmalen Rundbogenfensters perspektivisch verzerrt als gleißend helle Fläche auf dem grob gefliesten Steinboden nach. Das Lichtareal vermag aber nicht den übrigen Raum aus seinem diffusen Halbdunkel zu reißen. So bleibt auch der Gesichtsausdruck des jungen, in eine perfekt geschneiderte Kukulle aus schilfgrünem Samt gekleideten Geistlichen dem gereizten Besucher zunächst verborgen. Um so intensiver mustert dieser das in feiner bordeauxroter Seide gestickte Tatzenkreuz auf der linken Brustseite seines Gegenübers.
Der Kaplan deutet eine knappe Verbeugung an.
»Der Ägypter ist seit zwei Monaten Tag und Nacht in der Krypta am Werke, Monseigneur. Als ich ihn gestern sprach, schien er zuversichtlich, bis zum Fest des heiligen Magnus seine…«, Josquin räuspert sich vernehmlich, »…Arbeit beenden zu können.«
»Das wären noch drei Tage«, murmelt der Mann im weißen Mantel grüblerisch vor sich hin. »Und das müsste reichen...« Vier hastige Schritte in Richtung Fenster, dann wendet er sich mit mühsam gezügelter Energie betont langsam um. »Ich gewinne den Eindruck, Bruder Josquin, dass Euch die Anwesenheit des Ägypters schwer auf der Seele lastet«, bemerkt der Ritter eher beiläufig. Scheinbar tief in Gedanken versunken, rückt er mit akribischer Sorgfalt den Verschluss seines Schwertgürtels zurecht.
Einige Sekunden lang vergiftet lähmende Stille die Atmosphäre zwischen den beiden Männern. Dann zuckt der graubehaarte Schädel wie der einer Viper beim Angriff nach vorn. »Was ist es, bei allen Teufeln«, brüllt der Alte völlig unvermittelt los, »das ausgerechnet dem Kaplan dieser Komturei, die unseren heiligsten Schatz hütet, an meiner Anordnung missfällt?«
»Haltet zu Gnaden, Monseigneur. Auch ich habe mich, wie alle Brüder, bei meinem Eintritt in unseren ehrwürdigen Orden für ein Leben in persönlicher Armut entschieden und dazu absolute Demut und Gehorsam gelobt...«
»...zunächst einmal«, bellt der Graubärtige dazwischen, »zeigen mir nicht nur Euer aus wahrlich edlem Stoff und von überaus kundiger Meisterhand gefertigtes Habit, sondern auch der noble Goldring mit dem prächtigen Smaragden an Eurer Hand, dass Ihr die einst gelobte Armut durchaus erträglich zu gestalten verstanden habt.« Wütend stampft sein rechter Fuß auf den rauen Steinboden.
»Mit Verlaub, Demut und Gehorsam dem Orden und seinen Oberen gegenüber sind mir heilige Pflichten«, wiederholt der Kaplan in stoischer Unbeirrbarkeit. »Und ich konnte sie bislang an jedem Tag, den Gott mir geschenkt hat, mit freudigem Herzen erfüllen. Aber dass ein Ungläubiger«, von einer Sekunde auf die andere schlägt Josquins Stimme in offenen Hass um, »noch dazu ausgerechnet ein von allen Erzengeln verabscheuter mohammedanischer Heide, unser Allerheiligstes nicht nur betreten, sondern darin auch – auf Euren ausdrücklichen Befehl! – seine teuflischen Künste ausüben darf, während uns Hütern des größten Schatzes der Christenheit seitdem jeder Blick in die Krypta verwehrt ist, lässt mich inzwischen an Demut und Gehorsam zweifeln!«
Der junge Mann im schilfgrünen Ornat zittert plötzlich vor Erregung am ganzen Körper. Mühsam, fast stöhnend bricht es aus ihm hervor: »Verzeiht meine direkten Worte, aber Eure Anweisungen sind sowohl nach den Regeln der heiligen Kirche als auch nach denen unserer Gemeinschaft eine ... Gotteslästerung!«
Im Eifer des jähen Gefühlsausbruchs hat der Kaplan den schützenden Dämmerschatten verlassen und sich seinem Gegenüber fast auf Körperkontakt genähert. Seine Schultern zucken zitternd auf und ab, während sich die unter den weiten Samtärmeln hervorschlängelnden bleichweißen Hände konvulsivisch öffnen und schließen. So, als ob er seine Finger gleich um den Hals des hageren Ritters krallen wollte.

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