14. April 2014

'Eine tödliche Story' von Matthias Zipfel

Ein fesselnder Krimi zu einem hochaktuellen Thema. Am Deininger Weiher, einem idyllischen See im Münchner Süden, wird eine weibliche Leiche gefunden. Alles deutet auf einen Sexualmord hin. Doch was zunächst wie ein Routinefall erscheint, entpuppt sich schon bald als teuflisches Verbrechen von internationalem Ausmaß.

Hauptkommissar Mark Trenkwalder und seine junge Kollegin Laura Sperling stoßen auf ein gut organisiertes Netz aus Frauenhandel, Zwangsprostitution und skrupellosen Killern. Es sind mächtige Kreise, die sie stören. Und Trenkwalder muss schon bald feststellen, dass seine Gegner nicht davor zurückschrecken, auch Hauptkommissare auf ihre Abschussliste zu setzen ..

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Leseprobe:
Niemand hatte ihn kommen sehen, das Gebäude hinter seinem Rücken schien ihn ausgespuckt zu haben – plötzlich und unvermutet. Er knöpfte seinen kamelhaarfarbenen Kaschmirmantel auf, stellte die Reisetasche neben sich auf das Pflaster und sog die milde Herbstluft genussvoll, ja fast gierig ein, gerade so, als atme er zum ersten Mal. Dann schaute er auf seine goldene, ein wenig zu protzige Armbanduhr: Warum ließen sie ihn warten? Hatte er nicht schon lang genug gewartet, den Kopf hingehalten und geschwiegen?
Sekunden später bog eine schwarze Luxuslimousine um die Ecke und hielt vor ihm am Straßenrand. Der Mann im Kaschmirmantel ging auf den Wagen zu. Auf halbem Wege drehte er sich noch einmal um, als wolle er Abschied nehmen von den hohen Mauern und den Wachtürmen. Er lachte auf – kurz, bitter und gleichzeitig triumphierend. Im nächsten Moment wurde sein Gesichtsausdruck wieder ernst und abweisend wie zuvor. Wortlos nahm er auf dem Rücksitz Platz und wartete ungeduldig, bis der Fahrer die Tasche im Kofferraum verstaut und sich wieder hinter das Lenkrad gesetzt hatte. Endlich fuhren sie los.
Die Stille im Inneren der Limousine war unbehaglich. Der Chauffeur hatte es längst aufgegeben, ein freundliches, unverbindliches Gespräch zu beginnen. Sämtliche Versuche waren an seinem Fahrgast abgeperlt wie Tautropfen von einer Lotospflanze. Deshalb beließ er es jetzt dabei, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Dabei sah er viel öfter in den Rückspiegel, als es nötig gewesen wäre: Wer war dieser Mann, der so beeindruckend, fast einschüchternd wirkte, obwohl er doch stumm und scheinbar teilnahmslos dasaß? Und woher hatte er diese fleischige Narbe, die sich im Zickzack über seine hohe Stirn zog?
»Wann geht der Flug?«, fragte der Mann im Fond endlich.
»Wann immer Sie wollen. Die Maschine steht auf Abruf für Sie bereit.«
»Gut, sehr gut! Dann nutzen wir die Zeit für ein bisschen Sightseeing. Wäre doch unhöflich, wenn ich mich von dieser gastlichen Stadt nicht gebührend verabschieden würde.« Er schaute auf die Armbanduhr. »Aber sorgen Sie dafür, dass wir um Punkt halb elf beim Dallmayr sind!«
Am Odeonsplatz, kurz vor der Feldherrnhalle, bogen sie rechts ab in die Brienner Straße. Der Mann im Kaschmirmantel beobachtete die Menschen, die vor den Schaufensterscheiben standen oder in den Straßencafés saßen und den sonnigen Herbsttag genossen. Besonders aufmerksam betrachtete er die jungen Frauen. Aber seine Blicke waren weder freundlich noch bewundernd oder begehrlich. Sie waren berechnend. Er begutachtete die Frauen, wie ein geiziger Käufer das vermeintliche Schnäppchen taxiert. Er hatte schon lange keine Frau mehr gehabt, denn es gab keine Frauen dort, wo er herkam. Davon abgesehen war es ihm jedoch nicht schlecht ergangen in Stadelheim, denn im Knast galt das Gleiche wie anderswo. Wer über genügend Geld verfügte, der konnte sich alle Annehmlichkeiten erkaufen: Einzelzelle, Fernsehen, Zeitungen, vernünftiges Essen statt Gefängnisfraß – kein Problem! Selbst Smartphones der jeweils neuesten Generation hatten sie ihm in den Knast geschmuggelt – verboten zwar, aber ebenfalls kein Problem. So war er stets auf dem Laufenden geblieben, hatte es sich in der Anstaltsgärtnerei vergleichsweise bequem eingerichtet und sich mit Sport und Gymnastik fit gehalten. Trotzdem, sechseinhalb Jahre hinter Gittern – eine Ewigkeit!
Um fünf vor halb elf hielten sie in der Dienerstraße.
»Warten Sie hier, in einer Viertelstunde bin ich zurück!«, sagte der Mann im Kaschmirmantel, stieg aus und betrat kurz darauf das Feinkosthaus Dallmayr. Er durchquerte das Ladengeschäft, steuerte zielstrebig einen der Stehtische an und bestellte sich eine Tasse Kaffee. Das alles hatte er die letzten Jahre nur in der Fernsehwerbung gesehen, und jetzt war es Wirklichkeit! Die Duftwolke aus Fleisch- und Wurstwaren, Obst, Gemüse und Kaffee überw.ltigte ihn fast. Aber es war nicht der Duft der Delikatessen, der ihn hierher führte.
Um zwanzig vor elf gesellte sich ein Mann zu ihm an den Tisch. »Ich habe heute in der Zeitung gelesen, dass das Wetter an der Costa del Sol momentan sehr angenehm sein soll«, sagte er mit deutlich ausländischem Akzent.
»Na, da trifft es sich doch gut, dass ich gerade auf dem Weg dorthin bin!«
»Ja, es gibt doch wirklich glückliche Zufälle! Apropos …« Der Fremde legte unauffällig einen Briefumschlag auf den Tresen, »… zufällig ich habe hier etwas für Sie, das Ihnen sehr nützlich sein dürfte. Angenehme Reise!«
Der Mann im Kaschmirmantel nickte seinem Gegenüber kurz zu, steckte den Umschlag ein und verließ das Feinkosthaus, vorbei an den Bedienungen, die im wirklichen Leben tatsächlich so adrett aussahen wie in der Werbung.
Auf dem Weg zum Flughafen, in der vertraulichen Abgeschiedenheit der schwarzen Luxuslimousine, öffnete er das Kuvert. Es enthielt seine neue Identität, gefälscht natürlich, und das ganz exzellent. Auf die Organisation war eben nach wie vor Verlass! Zum ersten Mal seit langer Zeit machte sich Zufriedenheit in ihm breit – er war wieder im Spiel! Und eines war ganz sicher: Nie wieder würde ihm ein so blöder Fehler unterlaufen wie der, der ihm sechseinhalb Jahre Knast und diese verdammte Narbe eingebracht hatte ...

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