2. Oktober 2013

'Benutzt' von Mark Franley

Fassungslos müssen die beiden Kommissare Köstner und Groß dabei zusehen, wie tausende Menschen in den perfiden Plan eines Entführers hineingezogen werden. In seinem Spiel „Die Drei", nutzt er die abgestumpfte Sensationsgier der Medien gnadenlos aus und bringt Menschen wie dich und mich dazu, folgenschwere Entscheidungen zu treffen.

Im Laufe der Ermittlungen wird der Fall immer undurchsichtiger. Die Grenzen zwischen Opfern und Täter verschwimmen mehr und mehr, denn „Unschuld" ist nur noch ein leeres Wort!

„Benutzt" ist hart, quälend und hinterlässt Spuren!

Gleich lesen: BENUTZT: Psychothriller (Mike Köstner 2)

Leseprobe:
Eine große Wurzel, die quer über den zugewucherten Forstweg gewachsen war, brachte die Federung des alten Kastenwagens an ihre Grenzen. Die rostigen Metallspiralen wurden erst mit aller Gewalt zusammengedrückt, dann durften sie sich wieder entspannen, und der gesamte hintere Teil des Kastenwagens machte einen Satz nach oben. Wieder wurde Leons leblos wirkender Körper zum Spielball der auftretenden Kräfte, doch dieses Mal hatte es auch etwas Gutes. Das eiskalte Blech des Radkastens, an dem er mit der Stirn zum Liegen gekommen war, schaffte es bis in die Tiefen seines Geistes und wies diesem den Weg zurück in die Realität. Leon öffnete die sinnlos gewordenen Augen, drückte aber weiterhin die Stirn gegen das kalte Metall. Für einige gnädige Sekunden war er einfach nur froh, noch am Leben zu sein, dann waren sie wieder da. Im Geiste scannte er seinen Körper, fand aber keine Stelle, die nicht von Schmerzen gepeinigt wurde, und eine weitere Wunde schien hinzugekommen zu sein. Der brennende Schmerz kurz hinter dem Haaransatz wurde nur durch die gekühlte Stirn auf einem halbwegs erträglichen Maß gehalten.
Gerade als er vorsichtig danach tasten wollte, bremste das Fahrzeug. Leons Fingernägel kratzten über die Holzplatten der Ladefläche, fanden eine Mulde, in der man sonst Befestigungsgurte festmachte, und verhinderten damit, dass er gegen die Rückwand der Fahrerkabine geschleudert wurde. Das Motorengeräusch erstarb und machte einer fast schon schmerzhaften Stille Platz. Zusammen mit der undurchdringlichen Schwärze um ihn herum konnten seine Gedanken nicht anders, und das Bild eines geschlossenen Sarges blitzte in ihm auf.
Sein einzig noch verlässlicher Sinn meldete sich durch das Wahrnehmen leiser Schritte zurück. Er hielt die Luft an, um besser hören zu können, dann folgte das hässliche Quietschen zweier ungeölter Scharniere, das sich regelrecht in seinen Kopf zu bohren schien. Leon versuchte auf die geschundenen Beine zu kommen und war erstaunt, dass es ihm tatsächlich gelang.
Ungeachtet der möglichen Gefahr stolperte er dorthin, wo er den Ursprung des Geräusches vermutete. Trotz der Schmerzen in seinen verbrannten Fingerkuppen musste er sich an der rauen Wand entlangtasten, denn das letzte deutliche Bild, welches seine Augen wahrgenommen hatten, lag bereits einige Stunden zurück. Es hatte nur einige Millisekunden gedauert, doch der Lichtblitz hatte genügt, um seine Augen so weit zu verstümmeln, dass es nun nur noch sehr helles Licht hindurch schaffte.
Zwei Schritte später hatte er erneut den Radkasten erreicht und stieß schmerzhaft mit seinem angebrochenen Schienbein dagegen. Ein rauer Schrei verließ seine trockene Kehle, doch er konnte die erneut anfliegende Ohnmacht abwehren und sich langsam weiter vorantasten.
Frische, kalte Herbstluft wehte in das Innere des Wagens und weckte seine Lebensgeister, die sofort wieder von seinen Zweifeln zurückgedrängt wurden. Würde dieser Irre tatsächlich sein Versprechen halten und ihn gehen lassen? Er hatte keine andere Wahl, als daran zu glauben!
Endlich hatte er das Ende der Ladefläche erreicht, und noch immer wurde er nicht aufgehalten. Ein gutes Zeichen? Vorsichtig beließ er seine rechte Hand weiterhin an der Seitenwand und tastete mit der freien linken nach der Tür, doch da war nichts außer dem lebhaften Wind. Leon versuchte langsam in die Hocke zu gehen, was seine Beine nur bis zu einem bestimmten Punkt mitmachten. Es war nur ein weiterer Zentimeter, und doch war es die Grenze, an der seine Muskeln jede Kraft verließ, und er einfach umfiel. Ein weiterer Schrei, und einige hektische Atemzüge folgten, dann ging es ihm wieder besser, und er konnte erneut nach der Ladekante tasten. Leon wusste, dass er beobachtet wurde, er spürte, dass der Typ so nahe war, dass er ihn jederzeit erreichen konnte, aber noch immer passierte nichts.
Endlich hatte er sich so weit in Position gebracht, dass er auf der Kante saß, und die Beine frei herunterhingen. Leon nahm allen Mut zusammen und ließ sich mit dem halbwegs gesunden Bein zuerst heruntergleiten. Der Boden fühlte sich nass und matschig an. Leon hätte sich gewünscht, dass es regnet, aber außer ein paar Tropfen, die aus den Bäumen herabfielen, tat es das nicht. Er streckte den Kopf nach oben. Auch wenn er nun schon einige Zeit keine Kontrollmöglichkeit mehr gehabt hatte, glaubte er, dass er Sonnenlicht noch erkennen könnte. Aber es herrschte nichts als Dunkelheit vor seinen Augen.
»Und was jetzt?« Seine eigene Stimme erinnerte ihn an einen Mann, den er einmal kennengelernt hatte. Diesem Mann hatte der Krebs den Kehlkopf zerfressen, und man hatte ihm eine künstliche Stimme in den Hals gepflanzt.
Sekunden vergingen, ohne dass er eine Antwort bekam. Leon tat so, als würde er sich umsehen, und fragte erneut: »Was jetzt, du Arschloch?« Seine Stimme schnappte gemeinsam mit seiner misshandelten Psyche über: »War das etwa schon alles? Du hast vergessen, mir auch noch mein Leben zu nehmen!« Leon versuchte künstlich zu lachen, aber die Schmerzen in seinem Brustkorb nahmen ihm jede Luft. »Na gut ...«, presste er heraus und machte zwei wacklige Schritte nach vorne, »... dann gehe ich jetzt mal wieder. War schön mit Ihnen.« Früher war er für solche ironischen Sprüche bekannt, jetzt zeigten sie nur die Nähe zum Wahnsinn auf.

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Mehr über und von Mark Franley auf seiner Website.

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