18. Oktober 2012

'Rattenprinzessin Rapunzel' von Annette Paul

Ein Kinderbuch über eine ungewöhnliche Freundschaft mit Illustrationen von Krisi Sz.-Pöhls. Ich bin Prinz, eine kleine goldfarbene Ratte, und lebe freiwillig bei Rapunzel und ihrer verrückten Familie. Häufig muss ich mich eisern an Rapunzels Pulli festklammern, weil ich sonst bei ihrem Herumtoben hinunterfallen würde. Niemand nimmt hier Rücksicht auf eine kleine Ratte.

Ohne mich hätte Rapunzel ihre Geschwister und Künstlereltern bisher nicht so unbeschadet überstanden. Ich sorge dafür, dass sie in der Schule gut mitkommt, notfalls sage ich ihr leise vor, und zu einer netten, hilfsbereiten Rattenprinzessin heranwächst. Schließlich will ich sie eines Tages heiraten.

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Leseprobe:
Der VW-Bus wird langsamer, deshalb stecke ich meine Nase aus der Tasche heraus. Um uns herum sind Häuser. Damit ich besser sehen kann, klettere ich auf Rapunzels Schulter, dann weiter auf die Rücklehne. Wir fahren auf einer sechsspurigen Straße in einer Stadt. Winnetou bremst scharf. Obwohl ich mich sofort festkralle, fliege ich durch die Luft, dabei bin ich doch keine Fledermaus. Ich gleite genau zwischen Rücklehne und Nackenstütze des Fahrersitzes und lande in Winnetous Nacken. Dann rutsche ich langsam nach unten.
„Lehn dich nicht an“, schreit Rapunzel. Sie steht auf, beugt sich vor und greift mit der Hand in den Spalt, in dem ich sitze. Ich klettere ihr schon entgegen, mich an Winnetous Pulli festhaltend. Hier fühle ich mich überhaupt nicht wohl. Muss der dumme Kerl immer so verrückt fahren? Schließlich kann ich nicht mehr tun, als mich festhalten.
Uff, Rapunzel nimmt mich in ihre rettende Hand. Dankbar schmiege ich mich hinein. „Und wohin muss ich jetzt fahren?“, fragt Winnetou. Der Laster vor uns ist weg. „Geradeaus“, sagt Picasso, der einzige, der schon einmal hier war. Also fahren wir immer weiter auf dieser großen Straße.
„Immer noch?“, fragt Winnetou.
„Ja!“
„Und wo sind die anderen?“, fragt Rosenrot. „Die haben doch bestimmt gehalten, als wir bremsen mussten.“
„Vielleicht sind wir an ihnen vorbeigefahren.“, sagt Schneeweißchen.
„Nein, da ich habe darauf geachtet.“
Picasso schlägt den Stadtplan auf. Vorsichtshalber fährt Winnetou auf einen Parkplatz eines Supermarktes. Zu fünft schauen sie auf die Karte.
„Da ist der Ahornweg!“, sagt Rosenrot. Mit ihrem Zeigefinger zeigt sie auf einen kleinen schwarzen Strich in der Karte.
„Und wir sind hier!“ Winnetou zeigt auf eine große gelbe Straße weit unten. „Also wenden.“
„Soll ich lieber die Karte lesen?“, schlägt Rosenrot vor und zieht Picasso den Plan weg.
„Ja“, sagt Winnetou.
„Also Kinder, ich kann es hier vorne viel besser“, protestiert Picasso.
„Nein“, sagen Winnetou, Rosenrot und Schneeweißchen einstimmig.
„Wenn Rosenrot es macht, kommen wir wenigstens an“, sagt Rapunzel.
Picasso ist lieb, aber fürchterlich unpraktisch. Er konnte noch nie Karten lesen. Winnetou wendet und fährt zurück. An einer großen Kreuzung biegt er rechts ab. Dann geht es los.
„Bahnstraße, rechts in die Adenauerstraße.“
Schneeweißchen und Rapunzel suchen die Straßenschilder.
„Ahornweg!“, ruft Rapunzel. Ganz weit hinten steht der Laster vor einem Hochhaus. Hoffentlich haben die Anderen ihn schon ausgeladen. Diese Hektik der letzten Tage mag ich nämlich gar nicht.
Der Bus stoppt, und Rosenrot öffnet die Schiebetür. Sie springt hinaus, Schneeweißchen und Rapunzel springen hinterher. Ich rutsche von der Schulter und halte mich an Rapunzels langem Zopf fest. Gar kein schlechter Aussichtsplatz. Ich schaue mich um. Vor uns stehen drei Hochhäuser. Nachtigall kommt gerade aus dem vordersten. Links davon sind viele Garagen mit einer Asphaltfläche dazwischen. Zwei Mädchen stehen vor einem Garagentor und gaffen zu uns. Als sie genug gesehen haben, schlägt die eine ein Seil, das mit dem anderen Ende an dem Griff eines Garagentores befestigt ist. Das andere springt. Sie zählt laut dazu.
Rapunzel greift sich die Staffelei vom Laster, dann rennt sie zu ihrer Mutter. „Wo sind die Wohnungen?“
„Im dritten Stock.“
Picasso trägt mit Zorro den Küchentisch. Rapunzel läuft hinterher. Ich klettere aufgeregt ihren Zopf hoch und runter.
Mehr als der Tisch und zwei Personen passen nicht in den Aufzug, also rennt sie die Treppe hoch. Im zweiten Stock keucht sie wie eine alte Dampflokomotive. Trotzdem rennt sie weiter. Zweimal schlägt sie mit der Staffelei gegen die Wand. Aber die hat schon viele Ratscher, da machen ein paar mehr auch nichts aus.
Tatsächlich ist sie fast so schnell wie Picasso und Zorro. Die zerren gerade den Tisch aus dem Aufzug.
„Den Gang links, die dritte und vierte Tür“, sagt Picasso.
Rapunzel quetscht sich an ihnen vorbei und stürmt in die offenstehende dritte Tür. Rechts ist ein kleines Zimmer. „Prinz, dass ist unser Reich.“ Sie betritt es und dreht sich im Kreis, dann geht sie ans Fenster. Der Blick geht auf einen Spielplatz, dahinter liegen Weiden mit Pferden und Kühen.

Im Kindle-Shop: Rattenprinzessin Rapunzel

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