15. Oktober 2012

'KATZ oder Lügen haben schlanke Beine' von Matthias Zipfel

Ein humorvoller Detektivroman. Eigentlich fängt alles ganz vielversprechend an: Eigenes Detektivbüro eröffnet, attraktive Spitzenassistentin gefunden und der erste Auftrag lässt auch nicht lange auf sich warten. Der erscheint zwar etwas skurril, zugegeben, aber wenigstens nicht gefährlich.

Wer kann denn schon ahnen, dass man bei der Suche nach einem entführten Dobermann auf einen plastischen Chirurgen und seine plastische Gattin stößt oder auf einen handgreiflichen Kerl, der Bretter sägt, wenn er nicht gerade Leute schlägt? Ganz zu schweigen von der Leiche im Straßengraben! Mit viel Witz, Improvisationstalent und Selbstironie erlebt Romanheld Arno Katz die großen und kleinen Niederlagen, aber auch die Glücksmomente des Alltags.

Gleich lesen: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine

Leseprobe:
Vielleicht hätte ich es nicht so eilig haben sollen, kann schon sein. Ich hatte es aber nun mal eilig, strebte deshalb also oberdynamisch auf den Eingang zu und merkte, natürlich, als es schon zu spät war, durch Socke und Sohle: Der letzte Schritt war seltsam weich. Wie Dichtungsmasse. Eine Konsistenz, die sich fein in jeder Ritze verteilt, und das auch noch mit diabolischer Haftkraft. War aber keine Dichtungsmasse, sondern das Ergebnis finaler Futterverwertung beim Gassi gehen.
Ich ging zurück auf den Bürgersteig und versuchte, mit verdrehtem Fuß die Schweinerei an der Bordsteinkante abzustreifen. Vergebens. Und das machte mich streitlustig. Gerne hätte ich jetzt mit dem Hausmeister geplaudert! Oder mit diesem vierbeinigen Mistvieh, das anonym und im Vorbeigehen vor fremde Hauseingänge kackte. Oder mit seinem Besitzer, der genau in dem Moment als sein Hund, albern gekrümmt und mit glasigem Blick in die Unendlichkeit neben ihm hockte, etwas gaaanz, gaaanz Interessantes am Himmel entdeckte.
Genau so hatte ich ihn mir vorgestellt, den Auftakt des ersten Tages in meiner eigenen Firma. Dabei hatte ich schon genug Schwierigkeiten hinter mich gebracht. Immerhin hatte ich sämtliche Ersparnisse lockergemacht. Und zusätzlich einen Haufen Schulden fabriziert. Es war schwer genug, dem sonnenbankgebräunten Jüngelchen von der Stadtsparkasse einen Kredit aus den Rippen zu leiern. In seiner glatten Miene hatten Skepsis und die freudige Erwartung von Zinseinnahmen deutlich sichtbar miteinander gerungen. Eine Ewigkeit stand es unentschieden, dann bekam ich endlich meinen Kredit. Aber eines stand fest: Sympathie hatte dabei die geringste Rolle gespielt oder, anders ausgedrückt: Am liebsten hätte ich das Geld nicht angenommen, das er mir am liebsten gar nicht erst gegeben hätte. Aber so viel Mäkeligkeit konnte ich mir nicht leisten. War schon mein zweiter Anlauf Fuß zu fassen, und den wollte ich auf keinen Fall verpatzen. Damit es jetzt endlich losgehen konnte, mein neues Dasein als Detektiv.
Vor der Glastür zu meinem Büro wartete eine Frau von Mitte zwanzig. Vielleicht auch etwas älter. Jedenfalls endlos lange Beine in matt glänzenden Nylons, fester Knackpopo im engen schwarzen Rock, schulterlange dunkelblonde Haare und, als sie sich zu mir herumdrehte, leuchtend blaue Augen, aus denen mir eine gehörige Portion Intelligenz entgegenblitzte. Und sie roch so gut. Hyazinthenextrakt mit einer Spur verliebter, peruanischer Hirschkuh und einem Hauch Himbeereis. Wahrscheinlich hieß ihr Parfüm »Verheißung am Morgen«, »Gewaschene Überraschung« oder einfach nur »Pheromon für Detektive«. Heiliger Bimbam – da zeigte der liebe Gott aber wirklich mal, dass er sein Handwerk verstand! Zumindest, wenn er guter Laune war.
»Herr Kotz? Mein Name ist Sonia Morelli. Ich komme wegen Ihrer Annonce«, sagte sie.
Morelli, ein Name weich wie Mandelmilch, dachte ich. Und dass sie eine richtige Gänsehautstimme hatte. Wenn auch fast ein bisschen zu tief. Aber nicht ohne.
»Freut mich sehr! Übrigens: Nicht dass es wichtig wäre, aber mein Name ist Katz.«
»Oh, dann scheint da aber etwas schief gelaufen zu sein!«
Sie deutete mit dem Zeigefinger auf die gläserne Eingangstür. Mein Blick folgte artig, und im nächsten Moment gefror mein Lächeln: »Arno Kotz, Detektiv« stand da. Tadellos gestaltet, aber trotzdem falsch.
»Okay gehen wir erst mal hinein und unterhalten uns ein bisschen«, sagte ich. Meine Stimme klang jetzt etwas gereizt: Es war noch nicht mal ganz neun und meine positiven Vorsätze wurden bereits in Windeseile aufgebraucht. Wenn das so weiter ginge, dann gute Nacht schon am Vormittag!
Meine Laune besserte sich schlagartig, als Sonia Morelli vor meinem Schreibtisch Platz nahm und die Beine übereinanderschlug. Ich machte es mir inzwischen in meinem ledernen Schreibtischsessel bequem. Na ja, eigentlich Kunstleder. Aber ziemlich echt. Echt Kunstleder quasi.
Auf dem Schreibtisch ging es übersichtlich zu: Notizblock mit schwarzem Filzstift, Laptop, rechts ein kleiner Humidor mit Zigarren – meine Leidenschaft! – und daneben ein Foto von mir aus längst vergangenen Tagen. Siegerehrung. Arno Katz, das kleine Jüngelchen mit Riesen-Trophäe, die große Hoffnung im 100-Meter-Sprint, schnell wie der Wind. Nicht, dass ich mit diesem Bild angeben wollte, aber ich konnte mich auch nicht davon trennen. Lag so viel Stolz und Freude drin, so viel Zuversicht und Zukunft. Und war, ehrlich gesagt, eigentlich auch das einzige vernünftige Foto, das es von mir gab.
Mein Blick wanderte vom Foto über die Tischkante, zwei tadellose Beine entlang, dann, mit gerade noch anständiger Verzögerung, höher und höher und saugte sich schließlich in den himmelblauen Augen meines Gegenübers fest.
»Also, Frau Morelli ...«
»... Sonia, nennen Sie mich Sonia ...«
»... in Ordnung, Sonia, Sie kommen also wegen der Annonce. Aber Ihnen ist schon klar, dass ich bei der ausgeschriebenen Stelle an eine Art bezahltes Praktikum gedacht habe, oder? Das Geschäft läuft erst an, wissen Sie, und dass bedeutet: Im Moment kann ich ...«
»... also, was die Bezahlung angeht, hätte ich einen Vorschlag: Machen wir doch eine Probezeit aus, ein halbes Jahr oder so, in dem ich gar nichts von Ihnen bekomme. Und danach sehen wir dann schon weiter.«
»Ich glaube, ich verstehe jetzt nicht so recht ...«
»Also, die Sache ist die: Ich habe die letzten Jahre als Model gearbeitet – Mode, Werbespots, ein paar Nebenrollen in ziemlich doofen, kleinen Filmen und so – und dabei nicht schlecht verdient. Zumindest so gut, dass ich bis auf Weiteres davon leben kann. Aber jetzt möchte ich mal etwas ganz anderes machen. Ein Buch schreiben, einen Krimi vielleicht. Und da wäre dieser Job für mich die perfekte Inspiration. An der Quelle sozusagen. Meine Qualifikation stimmt übrigens auch: Ich spreche fließend Englisch und Französisch, kenne mich mit dem Computer und den gängigen Officeprogrammen aus, Internet und E-Mail natürlich sowieso. Am Telefon bin ich unschlagbar. Und außerdem fände ich es sehr aufregend, für einen Detektiv zu arbeiten.«
Ich lehnte mich in meinen Sessel zurück, hob beschwichtigend die Arme und hoffte, das Glitzern in meinen Augen würde mich gleich selber Lügen strafen. Wenigstens ein bisschen.
»Na ja, Sonia, so aufregend wie Sie wahrscheinlich denken ist der Job eines Detektivs nun auch wieder nicht.«
»Vielleicht. Aber ich stelle mir das alles trotzdem ziemlich interessant und abwechslungsreich vor. Und bestimmt wären wir ein tolles Team! Habe ich so im Gefühl.«
Ich überlegte einen Augenblick. War natürlich reine Verzögerungstaktik, denn ihr Angebot war absolut unwiderstehlich! Und ich sah jetzt den Fehltritt im Hauseingang mit völlig neuen Augen.

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