28. August 2012

'Kasino Rossija' von D.W. Crusius

Moskau 1985. Gorbatschow hat in Moskau die Macht übernommen und die Welt verändert sich.

Robert ist Inhaber einer kleinen Softwarefirma in Westdeutschland. Scheinbar zufällig lernt er in Hannover Russen kennen, die ihn nach Moskau einladen. Software soll er liefern. Sehr bald erkennt er, dass die angeblichen Softwaregeschäfte nur ein Vorwand sind. Tatsächlich geht es um seine Beziehungen zu Schweizer Banken und den Treuhänder Urs Brükli in Zürich. Immer tiefer gerät er in den Sog der großen Ost - West Geschäfte in den Jahren des Umbruchs.

Gleich lesen: Kasino Rossija (1-5): als die Russen den Kommunismus abschafften

Leseprobe:
Moskau
Gegen Mittag sagte Grischa: »Vertreten wir uns die Beine und verschaffen
uns Hunger.«
Sie gingen über einen schmalen Weg in den Wald. Der Hund Grom trottete
wie ihr Begleitschutz hinter ihnen her. In der Nacht hatte es geschneit,
aber jetzt war der Himmel azurblau. In der Sonne glitzernde Eiskristalle
rieselten von den Bäumen. Es war eine gespenstische Stille, nur das
Knirschen des Schnees unter ihren Stiefeln war zu hören. Wie aus dem
Nichts schwang sich ein wütend krächzender Rabe von einer Birke Schnee
aufwirbelnd in die Luft.
»Wie viel Grad haben wir wohl?«, fragte Robert.
»Bestimmt dreißig, zweiunddreißig, ich weiß nicht genau«, antwortete
Grischa. »Vergangene Nacht war es etwas wärmer, aber in den nächsten
Tagen bleibt es so kalt.«
Nach einer viertel Stunde Fußmarsch vorbei an lichten Birken und dunklen
Tannenwäldchen kamen sie zu einer Lichtung. Robert sah lange Reihen
Gräber, hohe Grabsteine mit Inschriften aus Messing, Skulpturen aus
Marmor, einfache Andreaskreuze aus Holz. An jedem Grabstein und Kreuz
hing hinter Glas eine Fotografie des hier Ruhenden. Manche der Gräber
waren von Holzgattern oder fußhohen eisernen Gittern umgeben. Schnee
bedeckte die freien Räume zwischen den Gräbern und nur die Kreuze,
Grabsteine und Skulpturen ragten heraus. Vereinzelt wuchsen zwischen den
Gräbern Büsche und niedrige Baumgruppen. Vor einem Grab mit einem hohen
Grabstein blieb Grischa stehen. Er wischte den Schnee von der
Fotografie, und Robert erkannte auf dem Foto den Mann in Generalsuniform
im silbernen Rahmen wieder.

Wladimir Wladimirow Berijow geboren 19. August 1888 - gestorben 20.
November 1952.

Robert erinnerte sich an 1952, damals in Güstrow. Kurze Zeit später, im
Dezember 52 verschwanden Grischa und Vera.
Grischa stand in Gedanken versunken vor dem Grab. »Mein Vater hat in den
letzten Kriegstagen schwere Verletzungen erlitten. Meine Mutter hat ihn
bis zu seinem Tod hier im Dorf gepflegt.«
Er zog eine Tüte aus seiner Jackentasche und nahm trockenen Kuchen
heraus, brach kleine Bröckchen ab und legte sie auf den Grabstein. Dann
trat er zum nächsten Grab.
»Hier liegt der Bruder meines Vaters. Er ist auch im Krieg gefallen.«
Beim nächsten Grab sagte er: »Das ist meine Großmutter, meines Vaters
Mutter.« Er legte auf alle Grabsteine ein paar Kuchenstücke. Den
restlichen Kuchen verteilte er auf die umliegenden Gräber.
»Komm, wir gehen wieder zurück.« Auf dem Rückweg sagte Grischa in
bitterem Ton: »Und nun sieh dich im heutigen Russland um und erkläre
mir, wofür sie alle gestorben sind.« Er erwartete keine Antwort. Es gab
keine.
Sie setzten sich zu den Anderen in die Küche und tranken Tee. Robert
sagte: »Ihr solltet mir jetzt genau erzählen, um was es geht.«
Grischa setzte zu einer längeren Erklärung an. »Wir haben Geld im
Ausland deponiert. Das Geld liegt zum großen Teil in Dubai bei der Arab
Bank of Dubai. Die Herkunft des Geldes ist schnell erklärt. Die UdSSR
hat in den vergangenen Jahren, besser gesagt Jahrzehnten, gute Geschäfte
mit arabischen Staaten gemacht. Das waren in erster Linie Ausrüstungen
für die Streitkräfte, aber auch zivile Produkte, Flugzeuge und
Ersatzteile. Diese Geschäfte sind zum großen Teil von uns als
Militärberater vermittelt worden und unsere Provisionen haben wir in
Dubai deponiert. Jetzt fühlen wir uns in Dubai nicht mehr sicher, denn
diese Staaten geraten mehr und mehr unter den Einfluss der USA. Deshalb
wollen wir das Geld in die Schweiz schaffen.«
Provisionen für Angehörige der Roten Armee? Gezahlt von arabischen
Waffenkäufern? Robert fragte nicht weiter, wollte nicht mehr wissen.
»Gut, aber warum fahrt ihr nicht in die Schweiz, eröffnet dort ein Konto
und überweist das Geld von Dubai in die Schweiz?«, erwiderte Robert.
»Wir können in der Schweiz als Russen keine Konten aufmachen. Das würde
man hier in Moskau schnell mitbekommen, der KGB registriert das sehr
schnell.« Er grinste bei dieser Bemerkung, »Das müssen Profis aus der
Schweiz machen.«
»Um welche Summe geht es?«
Alle schwiegen und Robert hatte den Eindruck, sie wollten sich so lange
wie möglich um eine Antwort drücken.
»Etwa einhundert Millionen US-Dollar«, sagte Slava schließlich, um einen
gleichmütigen Ton bemüht. Er hatte bisher wenig gesprochen. Robert hatte
mit viel Geld gerechnet, aber nicht mit einhundert Millionen.

Im Kindle-Shop: Kasino Rossija (1-5): als die Russen den Kommunismus abschafften

Mehr Informationen über den Autor D.W. Crusius und seine Veröffentlichungen auf seiner Homepage.

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