22. Februar 2016

"Das Glück kennt kein Erbarmen" von Harald Schmidt

Als Nicole den Verlockungen des Manfred Kirchner verfällt, glaubt sie noch, den Richtigen für ein bleibendes Glück gefunden zu haben. Als das Monster die Maske fallen lässt, ist es für Nicole schon zu spät. Sie muss für ihren Hang zu diesem Männertyp einen sehr hohen Preis bezahlen. Sexueller Missbrauch, brutalste Misshandlungen und die kriminellen Machenschaften dieses Mannes treiben Nicole fast bis zum Freitod.

Ihr Weg kreuzt den eines älteren Mannes. Nun erfährt sie, dass es auch Männer gibt, die Hilfsbereitschaft und Freundschaft notfalls über ihre eigene Sehnsucht nach Liebe stellen. Das Schicksal treibt ein makabres Spiel und zwingt zwei Menschen an die Grenze des Zumutbaren.

Misshandlungen an Frauen, die Sehnsucht nach wahrer Liebe, selbstlose Aufopferung und Trennungsschmerz sind verwoben in einer tragischen Romanze, die das Herz tief berühren.

Wird Nicole sich von der Bestie befreien können. Erkennt sie das wahre Glück und greift danach? Nicht nur die empfindliche Seele hat schwere Schäden erlitten. Den Leser lässt der Autor auch in diesem Buch tief eintauchen und liefert ihm Stoff für Diskussionen. Ein Roman, der zu Tränen rührt. Eine Geschichte für moderne Frauen, denn Männer werden dieses Buch und den Autor hassen.

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Leseprobe:
Der Strand

Du wirst sie nicht finden. Gib auf!
Das Meer schrie mir diese Worte entgegen. Doch ich stakste weiter durch den weichen Untergrund, dorthin, wo ich die Frau vermutete, und tauchte ab in die Schwärze. Nichts. Absolut nichts war zu ertasten. Die Luft wurde knapp und zwang mich zum Auftauchen. Nach Atem ringend, suchte ich die Wasseroberfläche nach einer Bewegung ab. Es mussten doch Luftblasen auftauchen! Die gierigen Arme der See gaben ihr Opfer nicht mehr frei.
Ein weiteres Mal holte ich tief Luft, tauchte und streckte meine Finger aus. Seetang schlang sich um meine Arme und Beine. Finsternis umfing mich, ich wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Ich folgte beim Auftauchen meinen eigenen Luftblasen. In dem Augenblick, als ich aus dem Wasser stoßen wollte, berührten meine Füße etwas Festes. Zugreifen! Meine Lungen gierten nach Sauerstoff. Todesangst sprang mich an.
Licht ... endlich! Wie von Sinnen sog ich die Leben spendende Luft ein und merkte erst später, dass ich da noch etwas umklammert hielt. Die langen Haare waren wie Seetang um meine Hand gewickelt. Mit einem Ruck zog ich ihren Kopf an die Wasseroberfläche und schlang meine Arme um den Oberkörper der Frau. So schnell es mein Körper noch zuließ, zerrte ich sie Richtung Ufer. Der Strand war in Abenddämmerung getaucht. Die Kräfte ließen allmählich nach. Der Sog der Brandung versuchte uns wieder ins tiefe Wasser zu ziehen. Panik beherrschte mich plötzlich und ich fragte mich, ob ich sie besser loslassen sollte. Nein, keine Macht der Welt würde mich dazu bringen. Irgendwoher mobilisierten sich letzte Reserven. Ich spürte das volle Gewicht der Leblosen, als ich endlich das niedrige Uferwasser erreichte. Die Flut hatte eingesetzt, die unruhige See drohte mir, zeigte ihre Wut, indem sie mich mit schäumender Gischt überschüttete. Ich hatte ihr ein sicher geglaubtes Opfer entrissen.
Am Strand ließ ich den Körper kraftlos in den Sand gleiten und warf mich daneben. Mein Atem rasselte. Mit zitternder Hand tastete ich zum Hals der Frau. War da ein Puls, eine Atmung? Nichts. Nur kaltes Fleisch, leblose Haut.
Das kann, das darf nicht umsonst gewesen sein!, schoss es mir durch den Kopf.
Wiederbelebung. Ich musste mit Wiederbelebungsversuchen beginnen. So schnell es mein Zustand zuließ, kniete ich mich neben sie und legte beide Hände zwischen die Brustansätze. Rhythmisches Pumpen, ohne die richtigen Abstände wirklich zu kennen. Nach einer Weile setzte ich ab. Musste man nicht zwischendurch auch eine Mund-zu-Mund-Beatmung durchführen? Die Lungen brauchten Sauerstoff.
Seltsam ... Es war mir peinlich, meine Lippen auf ihre zu legen. Es schien mir, als nutzte ich die Hilflosigkeit dieser Frau aus, als würde ich mich an ihr vergehen. Trotz schmerzender Lungen blies ich Atemluft in ihren Mund. Die Nase verschloss ich mit den Fingern, als ich bemerkte, dass die Luft durch sie wieder entwich.
Das Herz. Ja, jetzt musste ich wieder das Herz massieren. Es schien Stunden zu dauern. Jegliches Zeitgefühl war mir abhanden gekommen. Und auch die Hoffnung schwand.
Du darfst nicht aufgeben. Du musst diese Frau retten. Sie ist doch noch so jung. Atme, bitte atme doch!
Diese Gedanken gaben mir Kraft, immer wieder den leblosen Körper zu bearbeiten. Meine Arme spürte ich schon lange nicht mehr. Der Atem verließ nur noch pfeifend meinen Mund und meine Lungen schmerzten. Alles geschah mechanisch.
Das Flattern der Augenlider bemerkte ich zunächst gar nicht. Als ob der Verstand sich weigerte, das Gesehene zu realisieren. Erst ein leichtes Husten signalisierte mir, dass die Mühen nicht umsonst waren.
Sie lebt ... Gott sei Dank ... Sie lebt. Sie ist wieder zurückgekommen.
Fassungslos sah ich auf sie herunter und die Freude über den Erfolg nahm mir für Sekunden den Atem. Es war für mich noch nicht real, dass ich einen Menschen vor dem sicheren Tod gerettet und aus den Klauen des Meeres gerissen hatte. Die Erleichterung übermannte mich und ich dankte dem Himmel. Das Adrenalin sorgte dafür, dass mein ganzer Körper bebte. Erschöpft ließ ich mich auf den Rücken fallen und versuchte, wieder normal zu atmen. Mit einem Blick zur Seite sah ich, dass sich ihr Brustkorb regelmäßig hob und senkte. Allerdings fühlte sie sich völlig unterkühlt an.
Nachdem ich sie entkleidet hatte, warf ich ihre nassen Sachen in den Sand, bis sie nur noch im Slip vor mir lag. Mein nasses Oberhemd und die Jeans folgten ihren Kleidern und ich schmiegte mich eng an sie. Meine Arme umschlangen ihren Körper, sodass sich meine Wärme allmählich auf sie übertrug. Ihr leiser Atem mischte sich mit dem Zischen der zornigen Brandung. Mein Zittern ließ nach und ich schloss die Augen. Es war seltsam, dass ich ihre Körpernähe ohne Bedenken suchte, obwohl ich bei der Beatmung noch diese völlig überflüssigen Skrupel gehabt hatte. Schließlich ging es um pures Überleben.
»Das hättest du nicht tun dürfen ... Ich wollte sterben ... Du hast alles kaputt gemacht.« Diese Worte ließen mich erstarren.

Vor meinen Augen lief noch einmal der Film ab. Was war geschehen?
Ihr Schatten zeichnete sich klar gegen den Sonnenuntergang ab. Die Nordsee lag ruhig da und verlor sich am Horizont in gefühlter Unendlichkeit. Die Sonne war als glutroter Ball bereits zur Hälfte eingetaucht und warf blutgleiche Strahlen durch die dünne Wolkendecke. Nur das Kreischen der Möwen unterbrach die Stille, die von dem Plätschern der Brandung begleitet wurde.
Diese Frau suchte vermutlich Trost oder Ruhe. Ein Mensch, der die kraftspendende Stille genoss. Ja, hier war es möglich, seinen Träumen nachzuhängen. Die wuselige, egoistische Welt zurückzulassen. Angenehme Temperaturen. Der Wind strich durchs Haar und trieb einem kleine Sandkörner in die Augen. Der noch warme Sand der Düne war angenehm unter den nackten Füßen. Auch ich fühlte mich hier wohl und hing meinen Gedanken nach.
Die Frau, die jetzt klar zu erkennen war, blieb einen Steinwurf entfernt stehen und blickte über das dunkle Wasser zum Horizont. Die Brandung umspülte ihre Füße. Es schien sie nicht zu stören, dass sie ihr bis zur Erde fallendes Kleid durchnässte. Die Hände und das Gesicht hatte sie zum Himmel erhoben. Sie versuchte, die Wolken, das Universum zu berühren. Ein Bild, das ein Foto wert gewesen wäre. Anmutig wie eine Ballerina, immer noch die Hände erhoben, schritt sie in Richtung des Horizontes. Das Kleid verteilte sich wie ein Kranz auf dem Wasser. Ich stand auf, um die Szene besser verfolgen zu können. Unruhe erfüllte mich plötzlich, sie hatte keinen festen Stand mehr und die Wellen zerrten an ihr. Die Gefahr war sehr groß, dass sie fortgerissen wurde. Sie versuchte erst gar nicht, zu schwimmen, über Wasser zu bleiben.
»Hallo, Sie da!«, rief ich ihr zu. Zögernd verließ ich die Düne und ging auf die Frau zu. Keine Reaktion. Sie setzte ihren Weg unbeirrt fort. Als nur noch die Schultern aus dem Wasser ragten, war mir klar, was sie vorhatte. Ich lief los. Meine Gürteltasche mit Portemonnaie und Schlüssel zerrte ich mir von der Taille, warf sie auf den Boden. Immer wieder rutschte ich in dem losen Sand aus und verlor die Frau aus den Augen. Das Meer hatte sie gierig in sich aufgesogen. Die Stelle, an der ich sie noch vor wenigen Augenblicken hatte stehen sehen, war nur noch Dunkelheit. Die Wasseroberfläche grinste mich an.
Warum suchst du nach ihr? Sie gehört jetzt uns. Sie wollte es so.

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